Typografische Zierleiste in Holzschnitttechnik von Daniel Hopfer, um 1500 | ||||||||||||||
Bildarchiv Klaus Kramer | ||||||||||||||
on Holzschnitten und HolzstichenGeschichte und Technik einer grafischen Kunstformvon Klaus Kramer Bei der handwerklichen Technik des Holzschnittes oder Xylographie handelt es sich um das älteste grafische Druckverfahren. Der Holzschnitt ist die Urform des modernen Buchdrucks. Und obwohl Holzstiche im 19. Jahrhundert in großen Auflagen gedruckt wurden, sind es Originalgrafiken. Sie wurden direkt von dem manuell gestochenen Druckstock zu Papier gebracht. Holzschnitte wie Holzstiche sind heute begehrte Sammlerobjekte. Die Geschichte dieser rund 1500 Jahre alten Kunstform beschreibt nachfolgender Artikel. ur VorgeschichteWann und an welchem Ort ein Bogen Papier zum ersten Mal auf einen geschwärzten Druckstock gelegt wurde, um einen Abdruck davon zu erhalten, wird sich nicht mehr ermitteln lassen. Die für die Druckstockherstellung notwendigen Techniken waren bereits den frühen Ägyptern bekannt. Man fand dort aus Holzplatten zusammengefügte Sarkophage, auf denen nach Art des modernen Holzstichs, Bilder mit fein geschnittenen Linien dargestellt waren. Dass solche Platten zum Drucken verwendet wurden, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Verwendung der Holzschnitttechnik zur Vervielfältigung auf Papier lässt sich erstmals im 6. Jahrhundert n.Chr. in China nachweisen. Dort wendete man den Formschnitt bereits zur Herstellung von Druckstöcken für den Buchdruck an. Wegen der unendlichen Vielzahl chinesischer Schriftzeichen wurde diese Drucktechnik dort bis ins 20. Jahrhundert beibehalten. Und das, obwohl der Druck mit beweglichen Lettern im Reich der Mitte bereits im 11. Jahrhundert - also vierhundert Jahre vor Gutenberg - bekannt war. Eine direkte Beeinflussung des abendländischen Druckwesens durch China lässt sich jedoch nicht nachweisen. In Europa gaben vermutlich die in römischer und mittelalterlicher Zeit verwendeten Holzstempel den Anstoß zur Entstehung des Formschnitts. Im ägyptischen Fajum entdeckte man mit Holzstempeln zu Papier gebrachte Ornamente aus dem frühen Mittelalter. Auf dem europäischen Festland wurde die Holzstempeltechnik zum ersten mal im 12. Jahrhundert in Süditalien angewandt. Hier druckte man zunächst die Umrisse für Stickereien und farbige Muster auf Stoff, ähnlich dem späteren Kattundruck. Es wurden Druckstöcke benutzt, bei denen die Linien vertieft ins Holz geschnitzt waren, so dass sie beim Druck weiß blieben. Durch den intensiven Warenaustausch italienischer Handelsstädte mit den Ländern des Mittelmeerraums galt Italien als Verbindungsglied und Brücke zwischen Orient und Okzident. Es liegt nahe, dass auch die Holzstempeltechnik auf diesem Weg nach Italien gelangt war. Ebenso sollen die ursprünglich aus dem Morgenland stammenden Spielkarten 1374 über die mittelitalienische Stadt Viterbo nach Europa eingeführt worden sein. Spielkartenmaler, die 1384 erstmals in Nürnberg erwähnt wurden, könnten den Holzschnitt von Italien nach Deutschland gebracht haben. Die Kartenmaler erleichterten sich das Zeichnen ihrer Blätter, indem sie die Kartenmotive mit erhabenen Linien in längs der Maserung gesägte Holzblöcke schnitten und auf Papier druckten. Der Druckstock wurde hierzu mit einer Bürste oder Stempelkissen mit blauer Leimfarbe eingefärbt. Danach legte man das zu bedruckende Papier auf den Block und bürstete es mit einem Haarreiber an. Das bedruckte Blatt wurde später auf Karton aufgezogen und mit Hilfe von Schablonen farbig ausgemalt. 1404 entstand in Ulm die erste Kartenmaler-Zunft. Angehörige der Briefmaler- oder Illuministen-Zünfte waren die nächsten, die den Holzschnitt für sich zu nutzen wussten. Sie druckten Blätter mit einfachen Bildmotiven, die sie auf Märkten oder bei kirchlichen Festen anboten. Ihre bevorzugten Motive waren Heiligendarstellungen, Kalenderblätter, Gebete, Illustrationen zu Heiligenlegenden oder auch tatsächlichen Begebenheiten. Oft ergänzten sie ihre Darstellungen durch Schriftzüge mit dem Namen des Heiligen oder einer knappen Bildbeschreibung. Der älteste bekannte Holzschnitt, der vermutlich von einem Bildmaler hergestellt wurde, stammt aus dem Jahr 1423. Das Blatt zeigt den heiligen Christophorus und wurde in der Kartause Buxheim entdeckt. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts begann man mit Holzschnittblöcken Bücher zu drucken - sogenannte 'Blockbücher'. Bild und Text waren hierbei auf der selben Platte geschnitten (Tafeldruck). Es handelte sich zunächst um kleine Lese- oder Erbauungsbändchen mit höchstens fünfzig Seiten. Zu den ältesten Blockbüchern zählt die später auch im Letternsatz in vielen Auflagen erschienene lateinische 'Armenbibel' (Biblia pauperum). Sie sollte mit ihren bis zu 50 Darstellungen und Texten aus dem Alten und Neuen Testament dem gemeinen Volk die Heilswahrheiten nahebringen. Andere bekannte Blockbücher waren 'Die Kunst zu sterben' (Ars moriendi), 'Der Heilspiegel' (Speculum humanae salvationis) u.a.. Nach dem Erscheinen der ersten Druckstöcke mit geschnittenen Texten war es ein logischer Weg bis zur Erfindung der Buchdruckerkunst mit beweglichen Lettern durch Gutenberg und Kollegen um das Jahr 1438. 'Der Buchdrucker'. Holzschnitt von Jost Amman, 1568 Auch nach der Erfindung des Letterndrucks blieb der Holzschnitt dem Buchdruck eng verbunden. Ebenso wie die Lettern des Satzes stellte auch der Holzschnitt eine Form des Hochdrucks dar. Die Druckfarbe wurde hier wie dort auf die erhabenen Bildflächen des Blocks aufgebracht und von hier auf Papier übertragen. Damit war es möglich, den Bildblock direkt in den Letternsatz mit einzubinden und gemeinsam mit dem Text in einem Arbeitsgang auszudrucken. Gleiches war mit den Metalltafeln des seit etwa 1420 bekannten Kupferstichverfahrens nicht möglich. Der Kupferstich ist ein Tiefdruckverfahren. Bei ihm wird die Druckfarbe in die gestochenen Vertiefungen der Bildlinien eingerieben und hieraus auf Papier übertragen. Gestochene Kupfer- und später Stahlplattenmotive mussten stets in einem getrennten Druckvorgang zu Papier gebracht werden. Ende des 15. Jahrhunderts erscheinen die ersten mit Holzschnitten illustrierten Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Als aufwendigstes Verlagsprodukt jener Epoche gilt die 1493 in Nürnberg herausgegebene Weltchronik des Hartmann Schedel (Liber chronicorum). Reich ausgestattet mit Schnitten von Michael Wohlgemuth und Wilhelm Pleydenwurff, gibt das Buch das Welt- und Geschichtsbild des späten Mittelalters wieder. Zu dieser Zeit hatte der Holzschnitt in Deutschland bereits bedeutende Fortschritte gemacht. Die Formschneider hatten gelernt, mit einfachen Schattenstichen oder Kreuzlagen Hell-Dunkel-Schattierungen zu erzeugen und damit ihren Motiven Tiefe zu geben. Den Figuren fehlte es allerdings noch an den richtigen Proportionen und der Darstellung die Perspektive. ürer und der Holzschnitt in der Kunst der Renaissance Seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte der Holzschnitt im Zeitalter der Renaissance. Künstler wie Albrecht Dürer (1471-1528) oder Hans Holbein (1497-1543) hoben ihn durch ihre Werke von der handwerklichen Buchillustration zu einer eigenständigen Kunstform empor. Dürers 1498 erschienene monumentale Holzschnittfolge der 'Apokalypse' bedeutete den großartigen Abschluss und Höhepunkt der deutschen Kunst des Mittelalters. Die Blätter machten den Künstler über Nacht weltberühmt. Auch seine späteren Holzschnittserien, wie die der 'kleinen Passion' (1511) oder Dürers Arbeiten für Kaiser Maximilian (1512-1519), sollten einen überwältigenden Einfluss auf die Kunst des Abendlandes haben. Dürer hatte mit seinen Holzschnitten einen Formenkanon höchster Vollendung geschaffen, der das gesamte künstlerische Wissen seiner Zeit mit dem Formenschatz der Vergangenheit vereinte. Die Kunstschaffenden des 16. Jahrhunderts ließen sich von Dürers Holzschnittwerken mitreißen. Sie begannen eigene atemberaubende Drucke zu schaffen. In Deutschland waren dies vor allem Hans Baldung (1484-1545), Sebald Beham (1500-1550), Hans Burgkmair (1473-1531), Heinrich Aldegrever, Albrecht Altdorfer (1480-1538), Peter Flötner (1490-1546) dem Holzschnitt, in den Niederlanden Lukas van Leyden (1494-1533). In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die Namen Virgil Solis, Jost Amman (1539-1591) oder Tobias Stimmer eng mit dem Holzschnitt verbunden. 'Der Formschneider'. Holzschnitt von Jost Amman, 1568 Der Holzschnitt wurde zum Experimentierfeld in der Kunst jener Epoche. Dürer hatte eine Methode für den mehrfarbigen Holzschnitt gefunden, J.Dienecker führte seine Hell- Dunkel-Manier ein, bei der bis zu drei verschiedenfarbige Holzstöcke nacheinander auf Papier gedruckt wurden, um eine besondere Tiefe in der Darstellung zu erreichen. Deutsche Holzschneider exportierten den Formschnitt nach Frankreich und Italien. Selbst die großen italienischen Kunstschaffenden Raffael (1483-1520) und Tizian (um 1488 bis 1576) zeichneten eigene Werke, die in Holz geschnitten wurden. In der französischen Stadt Lyon gründete sich eine Schule, aus der excellente Formschneider hervorgingen. In Paris erschienen um 1500 die ersten Holzschnitte zur Buchillustration. Die eigentliche Heimat des Holzschnitts blieb jedoch Deutschland. Während des 16. Jahrhunderts entstanden neben religiösen Schriften auch verstärkt Chroniken, Bearbeitungen der Klassiker, Romane, Natur- und Reisebeschreibungen sowie naturwissenschaftliche Bücher, wie zum Beispiel Georgius Agricola's zwölf Bücher vom Berg und Hüttenwesen 'De re metallica'. Das Werk mit einer Fülle von Holzschnittdarstellungen über den Bergbau jener Zeit sollte in seinem Fach bis ins 18. Jahrhundert führend bleiben. Daneben wurden unzählige Einzelblätter, Berichte von bedeutenden Ereignissen, Kalender und Karikaturen mit Holzschnitten ausgeführt. om Ausdruckmittel der Kunst zum typografischen Kunsthandwerk Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde der Kupferstich in den Niederlanden weiterentwickelt und zu seiner höchsten Vollendung gebracht. Kupferstiche hatten bisher lediglich mehr oder weniger schattierte Umrisse gezeigt und sich dadurch nur unwesentlich vom Holzstich abgehoben, so wurden die Figuren jetzt mit einer noch nie dagewesenen Plastizität und großem Detailreichtum zu Papier gebracht. Als Folge wandten sich die kreativen Kunstschaffenden vom Holzschnitt ab und begannen ihre Werke in der feiner darstellenden Kupferstichtechnik auszuführen. Der Holzstich wurde daraufhin, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch handwerklich betrieben. Auch im Buchgewerbe begann der Kupferstich den Holzschnitt zu verdrängen. Zuerst waren es nur die Titel, die in Kupfer gestochen wurden, bald auch die größeren Bildtafeln im Buchinneren. Lediglich die Schlussvignetten, kleinere Textabbildungen und Zierstücke blieben weiterhin dem in handwerklicher Manier ausgeführten Formschnitt erhalten. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) geriet der Holzschnitt als Kunstform völlig in Vergessenheit. Seine Anwendung beschränkte sich nun wieder auf das, womit er rund 200 Jahre zuvor in Deutschland Fuß gefasst hatte: auf die Herstellung von Spielkarten, Fibeln, Kalenderblättern und Buchverzierungen. Allein seine große Standzeit bei hohen Auflagen in Verbindung mit der Möglichkeit, den Druckstock in den Letternsatz einzubinden, hielten den Holzschnitt am Leben. Seinen besonderen Eigenschaften entsprechend wurde er zum Druck hoher Buchauflagen und für billig herzustellende Flugblätter weiterverwendet. Mit dem Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert und der Französischen Revolution stieg in allen Kreisen der Bevölkerung das Verlangen nach mehr Bildung. Damit begannen auch die Auflagenhöhen der Druckwerke auf nie zuvor dagewesene Höhen anzusteigen. Eine Flut von Zeitschriften und Buchausgaben verbreitete die liberalen Ideen einer neuen Zeit. Besonders den Politik- und Naturwissenschaften kam nun eine wachsende Bedeutung zu. Ihre Lehrinhalte und Thesen wurden in illustrierten Werken, für jedermann zugänglich, veröffentlicht. Für die populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen benötigte man preisgünstige und informative Illustrationen. Der aufwendig herzustellende Kupferstich war hierfür nicht nur zu kostspielig, er hielt auch den hohen Auflagen nicht mehr stand. Mit der Liberalisierung der Bildung kam der Holzschnitt wieder zu neuen Ehren. homas Bewick erfindet den modernen Holzstich Zu Beginn des 19. Jahrhunderts eroberte eine neue Technik die Holzschnitt-Ateliers. Bis dahin hatte man für den Holzschnitt ausschließlich Holzplatten benutzt, die wie übliche Bretter in Holzfaserrichtung aufgesägt worden waren. Für den Formschneider bedeutete dies, dass er die Holzfasern in unterschiedlcher Richtung durchschneiden musste. Als Holzarten kamen zunächst der einheimische Birnbaum, später das aus Kleinasien importierte Buchsbaumholz in Frage. Neben einigen gröberen Werkzeugen zum Austiefen von größeren nicht druckenden Flächen wurde für den eigentlichen Bildschnitt lediglich ein kleines Messerchen benutzt, das ähnlich einem modernen Skalpell gehandhabt wurde. Aus der Schnittrichtung zum Faserverlauf ergaben sich für die Darstellung materialbedingte Eigenheiten, die man als 'Holzschnittmanier' bezeichnete. Mit der herkömmlichen Technik war es beispielsweise nicht möglich, sehr feine, nah beieinander liegende oder sich kreuzende Linien zu schneiden. Die schmalen Stege wären sofort längs der Maserung ausgebrochen. Der Stecher konnte also nur die Umrisslinien und die tiefen Schatten mit kräftiger Linienführung herausarbeiten. Halbschatten oder zarte Grautöne waren nicht zu schneiden, ein allmählicher Hell-Dunkel-Übergang war nicht möglich, Lichter mussten möglichst breit gehalten werden. Beim Schneiden musste man den Schnittwinkel zum Faserverlauf beachten. Je nach Winkel setzte die Maserung dem Messer unterschiedlichen Widerstand entgegen. Folgte das Messer der Faser, neigte das Holz zum Spalten. Diese Eigenheiten gaben dem Holzschnitt eine gewisse Markigkeit, die stets auch ihre Verehrer hatte, so dass auch in anderen Künsten versucht wurde, das Erscheinungsbild des Holzschnitts nachzuahmen. Der englische Grafiker und Holzschneider Thomas Bewick (1753-1828) stellte in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts alle bisher gültigen Formschnittregeln auf den Kopf und revolutionierte damit den Holzschnitt. Bewick begann nämlich seine Figuren, statt in Langholz, in Hirnholz zu stechen. Er verwendete hierzu quer zum Stamm gesägte Buchsbaumscheiben. An Stelle des bisherigen Messers benutzte er einen Grabstichel mit V-förmigem Querschnitt. Da die beiden Schneiden des Stichels bei jedem Schub gleich zwei Messerschnitte ersetzten, sparte Bewick - ganz im Sinne der aufkommenden Industrialisierung - Arbeit und Zeit. Zugleich erzeugte er mit dem Stichel mühelos parallele Schnittkanten, deren Abstand er, je nach Schnitttiefe, einfach variieren konnte. Das Hirnholz setzte dem Stichel einen angenehmen und in jeder Schnittrichtung gleichen Widerstand entgegen. Der Formschneider erreichte für seine Arbeit eine größere Sicherheit und konnte mit der neuen Methode seine Motive viel feiner ausarbeiten. Selbst die kleinsten Pünktchen brachen nicht mehr aus, weil sie mit den senkrecht stehenden Holzfasern fest im Block verwurzelt waren. Plötzlich war es möglich, feine Tonabstufungen differenziert darzustellen, was den Holzschnitt den besten Kupferstichen ebenbürtig machte.
Durch die neue Schnitttechnik und die erweiterten Möglichkeiten konnte die Xylografie einen solchen Aufschwung erreichen, dass sie zur meistverwendeten Illustrationsform des 19. Jahrhunderts wurde. Hinzu kam, dass die senkrecht stehenden Holzfasern gegen Druck in Faserrichtung ungemein belastbar waren. Auflagenhöhen von 100.000 Exemplaren und mehr ließen sich jetzt von einem Druckstock erreichen, bevor eine Abnutzung sichtbar wurde. Die Druckformen waren leicht zu vervielfältigen, indem man von ihnen Stereotypien oder durch Abformen mit Schriftmasse Klischees herstellte. Die sogenannten Abklatsche, beziehungsweise Abgüsse, verminderten zwar die Bildqualität, reichten aber für die meisten Zwecke immer noch aus. Eine vom Originaldruck kaum zu unterscheidende Bildqualität konnte mit einer galvanoplastischen Kopie erreicht werden. So war es möglich geworden, dass man den Original-Druckstock überhaupt nicht mehr für den Druck verwenden musste, sondern ihn lediglich zur Erneuerung der Kopie benötigte. Mit der allgemeinen Einführung von Bewicks neuem Holzschneide-Verfahren war aus dem Holzschnitt der Holzstich geworden. Und da man jetzt auch zarte Halb- und Zwischentöne schneiden konnte, sprach man nun auch vom Tonschnitt oder Tonstich. Die Berufsbezeichnung des Holzschneiders änderte sich vom Formschneider zum Xylografen. Holzstecher oder Xylograf mit seinen Werkzeugen bei der Arbeit. Holzstich 1876 Das Gravieren selbst war eine langwierige und die volle Konzentration erfordernde Tätigkeit. Man benötigte einen gut beleuchteten, hellen Arbeitsplatz und ausgezeichnete Augen. Wer sich einmal die Mühe macht, einen Holzstich des 19. Jahrhunderts mit der Lupe zu betrachten, bekommt eine Ahnung, wie langwierig es gewesen sein musste, diese Unzahl feiner Linien und heller Stellen in den unterschiedlichsten Formen und teilweise bis zu mikroskopischer Kleinheit aus dem Holz herauszuarbeiten. Ein guter Holzstich brauchte seine Zeit. Oft konnte der Xylograf sein geleistetes Tagewerk abends gerade mit der Fingerkuppe bedecken.
Handführung beim Formschnitt. Um für den Bildblock in jeder Arbeitslage eine gute Unterlage zu erhalten, legte der Xylograf sein Werkstück auf ein ledernes Sandkissen. Holzstich 1876 Trotzdem gab es einen massenhaften Bedarf an Holzschnitten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben den aktuellen Darstellungen der Presse lieferten in Deutschland die besten Maler und Zeichner wie Adolph Menzel, Ludwig Richter, Eduard Bendemann, Karl Wilhelm Hübner und viele andere Entwürfe für den Holzschnitt mit detaillierten Angaben für deren Ausführung durch den Xylografen. Das Holzschneider-Atelier der Leipziger 'Illustrierten Zeitung'. Holzstich 1876 Der zunehmende Einsatz von Holzschnitten in der Tagespresse und anderen Verlagserzeugnissen im 19. Jahrhundert sollte einen bedeutenden Einfluss auf die Fortentwicklung unserer Kultur haben. Für viele Menschen bedeutete der Holzschnitt nicht nur den ersten Kontakt mit fremden Völkern, Ländern und Kulturen, mit Werken der Kunst und den technischen Errungenschaften der Zeit, sondern machte sie auch mit ihrer eigenen Heimat vertraut. In Holz gestochener Bildblock druckfertig eingebunden in den Letternsatz Anders als eine Fotografie zeigt ein Holzschnitt immer die subjektive Sichtweise seines Stechers. Jedes Bilddetail, jedes Pünktchen, jeder Strich wurde bewusst gesetzt, andere, unwichtig erscheinende Einzelheiten wurden in den Hintergrund gedrängt oder fortgelassen. Obwohl der Holzschnitt im 19. Jahrhundert der alltäglichen Berichterstattung diente, dokumentiert er deutlich die Sichtweise der Menschen jener Zeit, spiegelt ihre Ängste wider und zeigt ihre Begeisterung für bestimmte Dinge oder Ereignisse. Darüber hinaus handelt es sich bei einem Holzschnitt in der Regel um eine Originalgrafik. Die Blätter wurden in der Regel direkt von dem Druckstock abgezogen, den der Tonschneider von eigener Hand geschaffen hatte. Um 1900 kam das fotomechanisch gerasterte Klischee in Gebrauch. Es begann, den Holzstich zunächst in der Presse, später auch in anderen Druckwerken abzulösen. In einzelnen Bereichen blieb der Holzstich jedoch bis weit ins 20. Jahrhundert als die geeignetste Darstellungsform aktuell. In einzelnen Werbekatalogen war er, wegen seiner Klarheit in der Darstellung, bis in die 60er Jahre präsent. Heute ist der Holzstich zum begehrten Sammlerobjekt geworden. |
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