Zwei ungleiche Brüder. GFK- und Holzfolkeboot nebeneinander. Das Linke ist aus Kunststoff. (Foto: Die Yacht)
Holz- und Kunstofffolkeboot unterscheiden sich optisch nur durch den Kajüteaufbau. (Die Yacht)
Der gewohnte Blick in das tiefe Cockpit des Folkebootes - auch beim GFK-Folke. (Foto: Die Yacht)
Auch die Inneneinrichtung unterscheidet sich optisch kaum von der Holzversion. (Foto: Die Yacht)
In der Kajüte lassen Holzdecke, Schwalbennester und Kojenpolster nur noch wenig Kunststoff sichtbar.
(Foto: Die Yacht)
Die Geschichte des
Nordischen Folkebootes
von Klaus Kramer
Teil 7
Eine neue Zeit bricht an

Neue Materialien und Bootsbautechniken, gestiegene Ansprüche und nicht ganz eindeutig verfaßte Bauvorschriften verführten findige Regattasegler, die ursprünglich einfachst gehaltenen Klassenvorschriften des Original-Folkebootes zu Ihrem eigenen Vorteil auszulegen. Um diesen Machenschaften zu begegnen, sah man sich gezwungen die Bauvorschriften ständig nachzubessern und zu präzisieren. Was 1941 einmal mit einer DIN A4 Seite begonnen hatte, ist inzwischen zu einem dreizehnseitigen Regelwerk angewachsen.

Gleichzeitig hatte sich das Boot, obwohl Einheitsklasse, weiterentwickelt. War ursprünglich der Ballastgewichtanteil mit 900 kg angegeben, wurde dieser bald mit 1.000 bis 1.050 kg vorgeschrieben. Ab 1958 durften nach heftigen Diskussionen auch synthetische Segeltücher gefahren werden. Seit 1962 konnte das stehende Gut, ursprünglich aus galvanisiertem Stahl bestehend, durch Chromnickelstahl ersetzt werden. Seit 1972 regattierte Schweden mit Spinnaker. 1992 wurde dieser wieder gestrichen - mittlerweile ist das Vorwindsegel in Schweden wieder erlaubt, während es in sämtlichen übrigen europäischen Ländern bei Regatten grundsätzlich verboten bleibt.


Das neue Baumaterial

1961 hatte sich der Preis für ein Nordisches Folkeboot, gegenüber 1942, versechsfacht.

Geldknappheit, steigende Bankzinsen und eine erschwerte Liegeplatzsituation ließ Händler und Werften Anfang der 70er Jahre klagen. Die Teilnehmerzahl der Folkeboote an der Kieler Woche war stark rückläufig. Und dies lag sicher nicht allein an den windarmen Wettfahrten der letzten Jahre.

Auch Holz-Drachen und hölzerne Stare gerieten immer mehr auf die Rentnerbank, verloren ihren Status als Olympische Klasse. Seit 1971 wurde mit zunehmendem Erfolg eine solide Kunststoffversion des Drachen angeboten. Sie war bis zu 12.000 DM preiswerter als das Holzboot zu haben. In der Star-Klasse diskutierte man welcher der in Frage kommenden Werften man die Baulizenz für die neue GFK-Version erteilen würde.

Auf der Hamburger Hanseboot wurde 1973 zum ersten Mal das H-Boot (L.: 8,28 m, LWL 6,30 m, Breite 2,18 m, T. 1,30 m, S. 24,50 m², Verdr. 1,45 t, Preis 22.100 DM) gezeigt. Hans Groop hatte es von Beginn an für eine moderne, kostensparende Kunststoffertigung konstruiert - als Ersatz für die 'älteren Touren- und Regattaklassen'. Seit 1972 war es vom Skandinavischen Seglerverband als Eintypboot anerkannt. Über Wasser sezte es den Stil der Folkeboote fort. Mit seinem geteilten Lateralplan besaß es jedoch ein Unterwasserschiff im Stil der Zeit. 1973 segelte in Skandinavien bereits eine Flotte von 500 H-Booten.

Angesichts dieser preisgünstigeren Konkurrenz aus Kunststoff fielen die Neubauzahlen bei den Folkebooten drastisch in den Keller.

1975 konnte das dänische Folkeboot TIBBE den Gotenburger Goldcup für sich gewinnen, das wichtigste Ereignis der Folkebootklasse. Der Preisbecher, bestehend aus 850 g purem Gold, wird abwechselnd in dänischen und deutschen Gewässern ausgetragen. Der Goldcup ist in Dänemark seit seinem Bestehen ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis. Hierbei gilt der Blazer im Handgepäck der Segler, für die anschießende Preisverleihung mit 'Königs', als obligatorisch.

Ein immer wieder aufloderndes und engagiert diskutiertes Thema, während der Goldcup-Veranstaltungen, war das erste Kunststoff-Folkeboot. Im Jahr zuvor hatte sich Sven Svensen in San Francisco dazu entschlossen, damals noch ohne den Segen der Klassenvereinigung, ein erstes Folkeboot in GFK herzustellen.

Goldcup-Sieger Eric Andreassen, der sich bis dahin in Europa für ein Kunststoff-Folkeboot besonders stark gemacht hatte, erhielt 1975 die Erlaubnis von seiner TIBBE zu Versuchszwecken eine Negativform abzunehmen und mit deren Hilfe eine GFK-Version seines Schiffes zu laminieren.

Während der Kieler Woche 1976 holten sich die dänischen Gebrüder Hjorth den Sieg in der Folkebootklasse. Zum ersten mal ging in diesem Jahr in Kiel, neben 31 traditionell gebauten Holzbooten, auch ein GFK-Rumpf über die Startlinie. Die Kunststoff-Version der TIBBE segelte zunächst außer Konkurrenz, allein zu Versuchszwecken. Die Regattarichter und Funktionäre konnten bei ihr, gegenüber den Holzbooten, weder seglerische Vor- noch Nachteile feststellen.

1977 wurde das Kunststoff-Folkeboot durch den Skandinavischen Seglerverband legalisiert. Bei der Lizenzvergabe legte der Skandinavische Seglerverband großen Wert darauf, daß das Kunststoffboot in seinen Einzelgewichten und dem Seeverhalten exakt den Holzbooten entsprach. Damit die Regattachancen auch oberhalb des Decks die gleichen waren, blieb der Holzmast für alle Klassenboote weiterhin obligatorisch.

Obwohl man im Nachhinein munkelte, die GFK-Crew hätte sich bei der Testwettfahrt in Kiel bewußt zurückgehalten, kam es zu keinen Panikverkäufen, weil Regattasegler sich um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Boote sorgten.

Während in der Folge auf Holzbootwerften im Jahr noch höchstens vier bis fünf Holz-Folke vom Stapel liefen, begann z.B. bei LM die GFK-Folke-Serienproduktion, mit 4 bis 5 Neubauten pro Woche.

Ein Holzneubau schlug damals mit rund DM 40.000,- zu Buche. Ein kompletter Kunststoffboot-Ausbausatz dagegen, mit Rumpf, Deck; Eisenkiel, Ruder samt passend zugeschnittenen Holzteilen, Beschlägen und Segeln, einschließlich Mehrwertsteuer, war bereits für DM 22.700,- zu haben. Fertig ausgebaut kostete das neue GFK-Boot DM 29.000,-.

Allein in Dänemark konnten innerhalb eines Jahres 100 neue 'Plastikboote' verkauft werden; mindestens 10 Stck. hiervon gingen nach Deutschland.